Wer hat Angst vorm roten Stift?

Sanierung als betrieblicher Hebel für HR und Geschäftsführung

Von Susanne Krüger-Lampe

Es gehört zur Ironie moderner Unternehmensführung, dass ausgerechnet das Wort „Sanierung“ den Raum verstummen lässt, obwohl es doch wörtlich nichts anderes bedeutet als „Heilung“ (von Lat. „sanare“ – „heilen“). Aber kaum ausgesprochen, wird es zum Angstsymptom. Zum Code für Abbau, Druck und Schuld. Dabei ist Sanierung kein Akt der Verzweiflung, sondern Ausdruck unternehmerischer Verantwortung. Zumindest dann, wenn sie professionell gestaltet wird. 

Denn wer ein Unternehmen durch Veränderung steuern will, tut das nicht aus Laune, sondern aus Notwendigkeit. Sanierung bedeutet, Verantwortung für Versäumnisse zu übernehmen, Komplexität auszuhalten und den Mut zu haben, Gewohnheiten zu hinterfragen. Gerade im gehobenen Mittelstand entscheidet in solchen Phasen die Klarheit über den Ausgang: Wird reagiert oder gestaltet? Wird reduziert oder neu ausgerichtet? Wird verwaltet oder geführt?

Ein Sanierungsfall entsteht nicht über Nacht

Oft wirken Sanierungen wie Reaktionen auf externe Schocks: ein wegbrechender Markt, regulatorische Änderungen, technologische Umbrüche. Doch häufig sind sie die Folge unterlassener Entscheidungen. Wenn Gehaltsforderungen über Jahre unreflektiert erfüllt oder neue Stellen genehmigt wurden, ohne die Prozesse zu prüfen, entstehen aufgeblähte Strukturen und steigende Kosten. Der tatsächliche Umbruch kommt dann scheinbar plötzlich, aber er war absehbar. Was fehlte, war konsequente Steuerung und frühzeitiges Gegenlenken.

Führung beginnt mit Selbstführung

Sanierung verlangt mehr als operative Umsetzung: Sie erfordert Selbstverantwortung. Wer Veränderung glaubwürdig gestalten will, muss offen benennen, wo zu spät reagiert oder Verantwortung delegiert wurde. Mitarbeiter spüren sehr genau, ob Führung die Realität benennt oder sich hinter Floskeln versteckt. Ehrlichkeit ist kein Risiko, sondern die Voraussetzung für Vertrauen. Wer Klartext spricht, auch wenn er unbequem ist, schafft die Grundlage für eine Veränderung, die mitgetragen werden kann.

Klarer Umgang mit Mitarbeitern

In vielen Sanierungsprozessen liegt der Fokus auf denen, die gehen. Doch der langfristige Erfolg hängt oft von denen ab, die bleiben. Diese Mitarbeiter erleben die Veränderungen hautnah, übernehmen zusätzliche Aufgaben und beobachten genau, wie mit Kritik und Unsicherheit umgegangen wird. Werden sie nicht ernst genommen, entstehen Unsicherheit und Rückzug oft verbunden mit stiller innerer Kündigung. Was es braucht: eine klare Kommunikation, sichtbare Führung und konkrete Perspektiven, nicht bloß Durchhalteparolen.

Sanierung heißt nicht nur „weniger“

Sanierung ist kein reines Sparprogramm. Es geht vor allem um das, was neu entstehen soll. Dazu gehört, strategisch zu entscheiden: Welche Kompetenzen brauchen wir künftig? Welche Rollen fallen weg, welche müssen neu geschaffen werden? Und lohnt sich vielleicht ein gezieltes Insourcing, weil frühere Outsourcing-Entscheidungen heute teurer oder ineffizienter sind? Wer diese Fragen konsequent stellt, erkennt schnell: Der Schlüssel zur erfolgreichen Sanierung liegt nicht im Rückzug, sondern im Umbau.

Diese Roland-Berger-Studie bestätigt das: 40 Prozent der befragten Unternehmen setzen bei der Transformation in der Krise auf Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, also nicht allein auf Kostenreduktion. Und nur ein Drittel sehen Kostensenkung überhaupt als wichtigsten Hebel. Der überwiegende Teil richtet den Fokus stattdessen auf Wachstum, Marktpositionierung und die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Das zeigt: Erfolgreiche Sanierung beginnt mit strategischer Klarheit und dem Mut zur Neugestaltung und nicht mit dem Rotstift.

Klarheit in der Umsetzung!

Ich hatte mal ein Mandat bei einem Automobilzulieferer, der seit Jahrzehnten erfolgreich Komponenten für Verbrennungsmotoren produziert. Mit dem Technologiewechsel zur Elektromobilität geriet das Geschäftsmodell plötzlich ins Wanken. Statt jedoch reflexhaft Personal abzubauen, entscheidet sich das Unternehmen für eine strukturierte Sanierung. Es analysiert, welche Mitarbeiter sich für neue Technologien qualifizieren lassen, etwa im Bereich Batterie- oder Leichtbaukompetenz und wo ein fairer, transparenter Abschied notwendig ist. 

HR übernahm dabei die operative Umsetzung. Wir entwickelten gemeinsam mit der Geschäftsleitung ein zukunftsfähiges Kompetenzmodell, begleiteten die Führungskräfte in der Kommunikation und sorgten dafür, dass die betroffenen Mitarbeiter nicht einfach „verlassen“, sondern begleitet werden. Interim HR-Expertise auf Zeit half, die nötige Geschwindigkeit und Struktur in den Prozess zu bringen, professionell, neutral und mit Blick für das Machbare.

Ohne Zielbild keine Strategie

Sanierung ohne klare Zukunftsausrichtung bleibt reaktive Schadensbegrenzung. Wer heute nur an Kosten denkt, ohne das Geschäftsmodell von morgen im Blick zu haben, stabilisiert kurzfristig. Mittelfristig schadet das aber der Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb braucht jede Restrukturierung ein unternehmerisch fundiertes Zielbild: Wird ein Standort geschlossen oder verlagert? Erfolgt ein Technologiesprung, etwa von mechanischer hin zu digitaler Fertigung? Oder richtet sich das Unternehmen komplett neu aus, zum Beispiel weg von traditionellen Industriekunden hin zu neuen Märkten wie Defense, Energie oder Medizintechnik?

Jedes dieser Szenarien verändert die Anforderungen an die Organisation und verlangt eine passgenaue HR-Strategie. Neben Personalumbau geht es dabei auch um Qualifizierungsinitiativen, Talentbindung, gezielte Neueinstellungen, sozialverträgliche Trennungen, den Aufbau neuer Kompetenzzentren oder auch die vollständige Neugestaltung von Rollen und Führungsstrukturen. Solche Maßnahmen müssen geplant, wirtschaftlich sauber durchgerechnet und mit dem CFO eng abgestimmt werden. Nur so kann HR realistisch beurteilen, was tragfähig, finanzierbar und strategisch sinnvoll ist und was nicht. Ein strukturierter Szenarienvergleich hilft dabei, Optionen faktenbasiert zu bewerten und Entscheidungen zu treffen, die das Unternehmen langfristig stärken.

Fazit: Neue Stärke schöpfen

Sanierung ist kein Ausnahmezustand. Sie ist eine Form unternehmerischer und verantwortlicher Führung, die Mut, Klarheit und Konsequenz verlangt. Wer in dieser Phase nur verwaltet, verliert Zeit, Vertrauen und Optionen. Wer aber aktiv gestaltet, ehrlich kommuniziert und mit klarer Strategie vorgeht, schöpft aus der Krise eine neue Stärke. 

Zur Person

Susanne Krüger-Lampe ist Expertin für die Neuausrichtung administrativer HR-Abteilungen. Ihr Schwerpunkt liegt auf Restrukturierung, Transformation und Change – besonders in herausfordernden Führungssituationen. Ihre Erfahrung zeigt: Veränderungen müssen nicht weichgespült, sondern klar gestaltet werden. Ihr Ansatz lautet: unangenehme Entscheidungen verständlich machen und wirksam umsetzen. Mehr Infos: LinkedIn

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