8.5.2024

Unkonventionelle Impulse zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – auch und gerade jetzt!

Unkonventionelle Impulse zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – auch und gerade jetzt! 

Hannover Messe, Ende April 2024. Die Welt ist zu Gast in Deutschlands herausgeputztem industriellem Wohnzimmer. Die Bilder in den Medien, übervolle ICEs mit internationalen Reisenden in Richtung Hannover sowie weiträumig ausgebuchte Hotels im ganzen Norden lassen auch mich selbst das aktuelle Interesse der Welt an innovativen Lösungen der deutschen Industrie ein Stück weit miterleben. 

Also nach Jahren der multiplen Krisen schon wieder alles so wie immer, als es trotz zunehmend ernster ökonomischer und politischer Rahmenbedingungen für die Unternehmen aus dem Exportweltmeister-Land im Wesentlichen immer nur eine Richtung in Sachen Wachstum und weiterer Wohlstandsmehrung – auch für das Land und seine Bewohner in Summe – zu geben schien? 
Nicht ganz. Mich erreichen in dieser Woche ebenso Nachrichten von Pumas erstem erfolgreich kompostierbaren Turnschuh oder auch vom Spatenstich für Holcims neues Zementwerk in Lägerdorf in Schleswig-Holstein, eines der ersten klimaneutralen Zementwerke weltweit. 

Es gibt aber auch Nachrichten von atmosphärischen Verstimmungen zwischen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und Vertretern unserer Bundesregierung, die wohl nicht nur bei mir mindestens für Verwunderung sorgen. Weitere Presseartikel zitieren zugleich namhafte Aussteller, die während des Kanzler-Besuchs auf der Hannover Messe dessen Aussagen aus den Vortagen mit einem „Das Lied des Kaufmanns ist die Klage, das Lied der Industrie sind Lösungen.“ begegnen. Doch die Gesamtlage ist derzeit viel zu ernst, als es bei Bonmots zu belassen: Es kann am Ende immer nur um sinnvolle Lösungen und deren unmittelbare und realistische Umsetzung gehen – im kommerziellen Umfeld wie auch bei Nachhaltigkeitsthemen; und dies ist zugleich Anlass, mich hier mit diesem eher unkonventionellen Blog-Beitrag einmal vorzustellen. 

Mein Name ist Michael Hanschmann, ich begleite seit mehr als 2 Jahrzehnten internationale Unternehmen bei anspruchsvollen Rechnungslegungs- und Reporting-Themen: früher in Headquarter- als auch in Linienfunktionen, seit 2017 mit meiner Beratungsboutique Alpine Finance Architects aus dem Großraum München und dies häufig in der operativen Umsetzung von zwischenzeitlich mehr als 25 Post Merger Integrationen im Finance-Umfeld. In einem stärker holistischen Verständnis beschreibe ich dies selbst zunehmend als: Ich begleite Unternehmen, ihre Entscheider, Finance-Organisationen und -Teams in für sie wesentlichen Veränderungsprozessen und habe hierbei als IFRS- und US GAAP-Experte auch keine Furcht vor zu knappen Reporting Deadlines, eingebetteten Derivaten oder nachträglichen M&A-Litigations aufgrund zweifelhafter Bilanzierungsmethoden trotz telefonbuchdicker M&A-Verträge. Insofern schaue ich auf die sehr breit gefächerten Nachhaltigkeits-Themen stark aus einer Reporting- und entscheidungsorientierten Management-Perspektive. 

Persönlich haben mich diese Themen noch bis in das letzte Jahr hinein eher als ein „Auch-Thema“ mit geringerer Priorität im Vergleich zu anderen erreicht – und wenn wir uns an dieser Stelle alle einmal ehrlich machen, gilt dies wohl auch für die Mehrzahl der Entscheider in unseren Unternehmen. Oder wie es die Publikation „The Role of the Board in the Sustainability Era“ von Heidrick & Struggles, BCG & INSEAD aus dem Jahr 2022 zusammenfasste:

„Our survey reveals a clear disconnect between what board members say about the importance of climate change to their companies and what the boards actually do.”

Bei aller Wichtigkeit der Nachhaltigkeitsthemen: Nie war die gesamtgesellschaftliche und ökonomische Lage in den letzten Jahrzehnten hier in Europa angespannter als in diesen Wochen. Es kann daher für seniore Entscheiderinnen und Entscheider wie auch für jeden Einzelnen von uns wohl gerade in diesen Tagen vor allem nur darum gehen, in dieser besonderen Gesamtlage für eine angemessene Priorisierung aller relevanten Themen und korrespondierenden Lösungsansätzen zu sorgen. Ein solches Verständnis spiegelte in den letzten Tagen u.a. die nachstehende Grafik des von mir sehr geschätzten Pioneer-Newsletters aus dem Umfeld von Gabor Steingart wider:

Quelle:  The Pioneer Briefing Business Class Edition vom 18. April 2024 zur relativen Popularität / Dringlichkeit grüner Inhalte auf der aktuellen politischen Agenda mit der Conclusio „Wohlstandssicherung vor Klimapolitik“.

Ein m.E. durchaus vergleichbar differenziertes Bild, nur aus anderer Perspektive ergibt sich laut einer „Recherche zur gesellschaftlichen Gefühlslage von Klimawut bis Naturliebe“ im Greenpeace-Magazin Januar / Februar 2024, wonach „80 Prozent  der Deutschen […] das Thema Klima als spaltend wahr[nehmen] und […] lieber nicht darüber [sprechen] – [wie] genauso viele an[geben], die Folgen des Klimawandels bereits deutlich zu spüren“. Als Quelle wird sich für Letzteres u.a. auf die BMUV 2020, das Umweltbundesamt 2023 und die Ruhr-Universität Bochum ohne weitere Detailangaben bezogen. Im Ergebnis sollten wir uns m.E. alle selbst – und nicht nur die Entscheider in Politik und Wirtschaft – fragen, woran dies liegt und wie wir alle mit diesem Spannungsfeld kurz- und mittelfristig sowohl sinnvoll als auch lösungsorientiert umgehen können.

Als Blauwassersegler habe ich hiervon unabhängig persönlich in den letzten Jahren beobachten müssen, was so alles in unseren Meeren schwimmt und dort nicht hingehört.

Der Autor auf der V.O.60 Glashäger, ex Illbruck, in der westlichen Nordsee.

Ich kann mich ebenso noch sehr gut daran erinnern, was es während meiner frühen Kindheit an der Ostseeküste in den Achtzigern als Konsumgüter-Verpackungs-Strandgut bei Sturm an die Strände spülte, weil Schiffsbesatzungen ihren Hausmüll einfach im Meer verklappt hatten. Dies ist heute nicht mehr beobachtbar, dafür gibt es neue Themenfelder u.a. aus dem Mikroplastik-Umfeld – es bleibt insofern für jeden Einzelnen von uns gleichwohl an vielen Stellen im Hinblick auf eine zeitgemäße Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen noch genug zu tun. 

Daher habe ich auch im Spätherbst 2023 einen der ersten deutschen mehrtägigen Zertifikats-Trainingskurse allein zur ESG-/Sustainability-Berichterstattung belegt. Mich haben während dieses Kurses vor allem drei Dinge stark beeindruckt:

  • Einerseits skalierten in wenigen Seminartagen 4 Gliederungspunkte in mehr als 1000 Slides  allein für ESG-Reporting-Themen mit sehr granularen Reporting-Anforderungen hoch, die in ihrer verpflichtenden Regelungstiefe alles übertrafen, was ich bisher an Reporting-Vorschriften in mehr als 2 Jahrzehnten gesehen, gelernt und in meinen Projekten zielorientiert umgesetzt habe (und ich habe selbst keine Berührungsängste im Hinblick auf granulare Nerd-Themen wie Finanzinstrumente oder latente Steuern). 
  • Andererseits war die Zahl der Seminarteilnehmer sehr überschaubar, was auf eine gewissen Engpass bei eher seniorem Beratungs- und Umsetzungs-Know How in den kommenden Monaten und Jahren schließen lässt und die Bedeutung von interimistischem Experten-Know How incl. der dazugehörigen Lebenserfahrung unterstreicht. 
  • Noch während dieses Kurses erreichte mich eine IFRS Accounting Beratungsanfrage, in welchem Umfang ich bei einem Strukturierungs-Mandat im Private Equity-Umfeld unterstützen könnte. Kernfrage hierbei waren die Grenzen und noch verbleibenden gestalterischen Opportunitäten eine möglichen Nicht-Konsolidierung einzelner Konzern-Einheiten in einem Betreibermodell – jedoch nicht wegen des Risikoprofils dieser Einheiten, umso mehr wegen deren potenziellen Auswirkungen auf CO2-bezogene Berichtspflichten in der künftigen ESG-Berichterstattung dieses Konzerns in den kommenden Jahren.

[ …Einen Arbeitstag später… ]

Während der frühen Morgenstunden lese ich diesen Blog-Beitrag gerade noch einmal Korrektur und überlege, wie ich diesen charmant ausklingen lassen kann, als mich die erste E-Mail des Tages mit einer Nachricht von der neuen Leiterin des ESG-Managements eines deutschen börsennotierten Industrieunternehmens erreicht: Die von uns in den Vorwochen gemeinsam eher in einem ad-hoc Modus redaktionell überarbeitete Nichtfinanzielle Erklärung incl. einer Aktualisierung und Validierung der Datenquellen zu ESG- & EU Taxonomie-Themen für das Geschäftsjahr 2023 hätte wie zuvor beim Vorstand ebenso einen positiven Anklang beim Aufsichtsrat gefunden und dieser hätte keine ergänzenden Änderungswünsche. 

Ich freue mich sehr und weiß ebenso wie die im ESG-Umfeld tätigen Kolleginnen meines Mandanten, dass ein vergleichbarer ad-hoc Lösungsansatz für das aktuelle Geschäftsjahr 2024 mit all seinen neuen verpflichtenden Berichtsanfordernissen nicht ausreichen wird. Aus diesem Grund haben wir auch bereits einen Refinement-Workshop für die doppelte Wesentlichkeitsanalyse dieses Mandanten und die Planung weiterer Arbeitspakete für die kommende Arbeitswoche vereinbart.

Ich freue mich auf diesen Workshop ähnlich wie auf Ihr Feedback zu diesem Blog und plane in den kommenden Wochen bei entsprechender Resonanz auch hier den einen oder anderen unkonventionellen Nachhaltigkeitsimpuls bzw. Lösungsansatz zu teilen.

Krailling, im April 2024

Alpine Finance Architects

Michael Hanschmann, CPA
+49 (0) 174 815 97 54

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